"Reichtum braucht ein Maß, Armut eine Grenze." so heißt ein Entschließungspapier der Evangelischen Landessynode Württemberg von 2010. Unter diesem Titel veranstaltete auch der Arbeitskreis Christen in der SPD des Stadt- und Landkreises Heilbronn eine Podiumsdiskussion im Heinrich-Fries-Haus unter der Gesprächsleitung der Theologin Dr. Anna Christ-Friedrich.
Pfarrer Heinz Gerstlauer, seit 15 Jahren Vorsitzender der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart, die in viele diakonischen Feldern tätig ist, ging gleich zur Sache: Beim Canstatter Wasen gab es Sekt für 1800 €, und ein Mittelständler bestellte 15 Liter Methusalem-Wein für 30 800 €; in der Stuttgarter Königstraße liegen die Quadratmeter-Preise bei 17 500 €, und auch Ferraris für 700 000 € finden Käufer. Andererseits gibt es in der Landeshauptstadt 24 000 Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften und 14 000 Jugendliche ohne Schulabschluss. "Noch hält sozialer Kitt unsere pluralisierte Gesellschaft zusammen", so Gerstlauer.
Diplom-Sozialpädagoge Stefan Schneider, seit 15 Jahren Regionalleiter der Caritas Heilbronn-Hohenlohe, geht davon aus, dass in dem von seiner Organisation betreuten Gebiet mit fast 800 000 Einwohnern ein Drittel auf der Schattenseite des Lebens stehen, Beistand brauchen, unzureichende Teilhabe haben. Die verdienstvolle Hilfsaktion "Menschen in Not der Heilbronner Stimme sei ein Seismograf für die Region, eine komplexe Problemanzeige für eine unvorstellbare Vielfalt von offener und versteckter Armut. Natürlich komme es auch darauf an, randständige Familien nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern in ihrer Selbstverantwortung.
Rainer Hinderer, der 17 Jahre lang an verantwortlicher Stelle in der diakonischen Jugendhilfe mit der Brüchigkeit von Schul-, Ausbildungs- und Berufsbiografien konfrontiert war, hat jetzt als Landtagsabgeordneter und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion feststellen müssen, dass die Not im Lande noch größer ist als in der Jugendberufshilfe. Bildung sei zwar eine zentrale Funktion, um aus der Armutsspirale heraus zu helfen, aber damit allein könne dem Massenphänomen Armut allein nicht begegnet werden. Auch an der Schaffung von sinnvollen Arbeitsplätzen für leistungsgeminderte Personen kommen man nicht vorbei, meinte Hinderer, der auch Landessynodaler ist. Er hoffe, dass der von der neuen Landesregierung angepeilte Armut- und Reichtumsbericht mehr Klarheit bringt. Schließlich verfügten zehn Prozent der Bevölkerung über zwei Drittel aller Vermögen, während die Hälfte vermögenslos sei.
Einig waren sich die Diskutanten, dass heute Solidarität bzw. Subsidiarität in der auch alternden Gesellschaft mehr denn je vonnöten ist. Es sei begrüßenswert, dass die Reichen sich verstärkt als Spender, und Stifter, Mäzenen und Sponsoren hervor tun und dass Serviceclubs Patenschaften für Hilfsprojekte übernehmen. Angesichts von steigendem privaten Reichtums und öffentlicher Armut komme es aber darauf an, die Handlungsfähigkeit des Staates im Wirtschafts- und Sozialbereichs durch ein gerechtes Steuersystem zu gewährleisten.
Aus dem Publikum wurde viel Unmut über die politische Unfähigkeit bei Problembewältigungen laut und dass die Parallelwelt einer unverantwortlichen Finanzwirtschaft nicht an die Kandarre genommen wird. Andererseits sei auch Handlungsdruck und Privatinitiative der Christen unumgänglich. Anna Christ-Friedrich verwies auf den Wandschmuck eines arg symbolisierten Kreuzes, das ausdrücken soll: Gott hat nur unsere Hände.
Ein Bericht von Helmut Sauter
Bildunterschrift
Diskutieren das Thema Armut und Reichtum: Von links Dr. Anna Christ-Friedrich, Rainer Hinderer, Heinz Gerstlauer, Stefan Schneider. (Foto: Peter Seitz)